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Desperado: Haltet aus! Desperado kommt... Live! (Review)

Artist:

Desperado

Desperado: Haltet aus! Desperado kommt... Live!
Album:

Haltet aus! Desperado kommt... Live!

Medium: CD
Stil:

Deutsch- und Kraut-Rock der 70er-Jahre

Label: Sireena Records
Spieldauer: 59:09
Erschienen: 19.10.2018
Website: [Link]

Was hat da Sireena Records nur wieder ausgegraben?
Ein tatsächlich spannendes Kapitel 70er-Jahre-Rockgeschichte aus Deutschland West, dem Teil, in dem es nicht gerade als en vogue galt, Rockmusik mit deutschen Texten rauszuhauen, während es im eingemauerten Teil Deutschland Ost zur gleichen Zeit Pflicht war, Rock- und Beat-Musik ausschließlich in seiner Muttersprache vorzutragen.

DESPERADO – 1975 von Schlagzeuger Michael ‚Mick‘ Kessler und Gitarrist Reinhold Goosen in Hamburg gegründet – gingen das West-Wagnis ein (Immerhin gab es dort ja als Ausnahme einen UDO LINDENBERG, der es gerade schaffte, mit deutschen Texten seine Rocknummern abzufeuern!) und besaßen den Mut, anfangs vornehmlich im norddeutschen Raum ihr Glück auf den Bühnen zu suchen.
Im Osten jedenfalls gab es genau zu dieser Zeit eine Band, deren Musik und Texte große Ähnlichkeit zu DESPERADO aufwiesen und die zu den erfolgreichsten DDR-Bands aufstiegen: CITY.

Besonders ihre furiosen Live-Auftritte mit ausgiebigem Spielraum für instrumentale Soli verschafften DESPERADO einige Anerkennung und eine immer stärker wachsende Fan-Basis. Auch fand man mit Carlo Karges von TOMORROWS GIFT und NOVALIS an der Gitarre und Bruno Schaab von GURU GURU am Bass zwei namhafte, hochkarätige Mitstreiter für DESPERADO.

So beginnen die drei bei den 1977er-Live-Mitschnitten aus dem Theatron/Olympiapark in München, der H.A.-Halle in Cuxhaven sowie der Festhalle in Dietersheim auf „Haltet aus! DESPERADO kommt... Live!“ mit einem ausgiebigen E-Gitarren-Solo und der Feststellung: „Ich hatte es als Kind schon satt / Andauernd ‚Ja‘ zu sagen“, auf „Desperado“ oder das Instrumental-Stück „El Breito“ ver“breito“t so einige LED ZEPPELIN-Anspielungen.

Noch dazu erschöpfen sich die Texte nicht etwa in allgemeinen Liebes- und Naturbeschreibungen oder warten mit verschwurbelten Lyrik-Exkursen a‘la NOVALIS oder HOELDERLIN auf, sondern erzählen Geschichten voller kritischer Seitenhiebe, aus dem Hier und Heute der rebellischen Siebziger, wobei besonders der längste Song des Albums am schärfsten auf die damalige Situation und die Zwangsrekrutierung (von staatlicher Seite euphemistisch als Musterung und Einberufung bezeichnet) fürs Militär einschlägt. In „So eine Scheiß-Situation“ dreht es sich um die Musterung für den Bund und die anschließende Verweigerung, die mit Knast sowie einem Amoklauf und der erkenntnisreichen Frage endet: „Denkt ihr, dass man mit Gittern einen Menschen zum Sklaven ohne Willen machen kann?“
Eine Frage übrigens, die man sich damals in leicht abgewandelter Form in der DDR als Jugendlicher jeden Tag stellte: „Denkt ihr, dass man mit einer Mauer einen Menschen zum Sklaven ohne Willen machen kann?“
Mit einer ganz ähnlichen Thematik und einiger Ironie setzt sich auch die Demoaufnahme von „Freiheit“ auseinander.

Überhaupt sind die sechs, schon für das zweite (nie erschienene) Album gedachten Demoaufnahmen, welche dieser CD als Bonus beigefügt worden, die eigentliche Sensation des Albums, da sie bisher noch nie das Licht der Öffentlichkeit erblickten und von den zu unmusikalischen Zeichen der Zeit überholt wurden.
Denn bereits 1978 lösten sich DESPERADO (nicht ganz freiwillig) auf, vielleicht weil sie auch mehrere Major-Deal-Label-Angebote aus Überzeugung ablehnten und das hier vorliegende Live-Album aus dem Jahr 1978 ihr auf 2000 LP‘s limitiertes einziges Album bleiben sollte, das übrigens von Petrus Wippel produziert wurde, der zuvor HOELDERLIN, KRAAN, JANE und GROBSCHNITT produziert hatte. Aber der Hauptgrund war ein saublödes „Missgeschick“ ihres Schlagzeugers, der auch die Geschichte von DESPERADO im Booklet erzählt: „Die Band ist auf einem guten Weg. Bis der Blitz einschlägt. Mick [Kessler] ist vor ca. 8 Monaten in Hamburg mit einem Kilo Haschisch von einem miesen Junkie – was Mick nicht bekannt war – in eine Polizeifalle gelockt worden. Das Urteil: 18 Monate ohne Bewährung. Abzusitzen in Hamburg. Das bedeutet das Ende einer Band, die Großes hätte erreichen können.“

Besonders lobenswert ist neben der schlicht gehaltenen Gestaltung des Albums im Digipak besonders das umfangreiche 16seitige Booklet, in dem man erstmals neben den Texten auch eine sehr ausführliche, authentische Geschichte des kurzen Lebens der Band – aufgeschrieben von Schlagzeuger Mick Kessler lesen kann. Kurz war auch das Leben zweier Band-Mitglieder: Sänger und Gründungsmitglied Reinhold Goosen verstarb im Jahr 2013, nachdem sich Carlo Karges, der sehr erfolgreich als Gitarrist von NENA Ruhm erlangt hatte, bereits 2002 von diesem, aus musikalischer Sicht, viel zu weit verbreiteten Mainstream-Musik-Jammertal, zu denen DESPERADO garantiert nicht gehören, verabschiedet hatte. Darum ist diese CD auch „dem Gedenken an Reinhold und Carlo gewidmet. R.I.P. Jungs, wo auch immer ihr jetzt seid.“

FAZIT: Sireena Records schreiben mit dieser CD-Veröffentlichung von „Haltet aus! DESPERADO kommt... Live!“ ein weiteres Kapitel deutsch(sprachig)er Kraut-Rock-Geschichte. DESPERADO – mit Musikern von GURU GURU, TOMORROWS GIFT und NOVALIS – waren von 1975 bis 1978 nur drei Jahre musikalische Lebenszeit und eine strikt limitierte Live-LP vergönnt, die nun mit sechs bisher noch nie veröffentlichten Demo-Aufnahmen (trotz zwei bereits verstorbener Band-Mitglieder) zum Glück wiederbelebt werden.

PS: Und wo das Album von Freunden guten 70er-Jahre-Deutsch-Kraut-Rocks gekauft wird, ist ja eigentlich klar, genau hier mit einem Klick und nicht bei...

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 3582x gelesen, veröffentlicht am )

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Tracklist:
  • Desperado
  • Ausgetrixt
  • Big Brother halt dich raus
  • El Breito
  • Herzlich Willkommen
  • Der Schleier-Tanz
  • So eine Scheiß-Situation
  • El Breito reitet wieder
  • Bonustracks:
  • Freiheit (Demo)
  • Slidefinger Joe (Demo)
  • Wildes Blut (Demo)
  • Sie ist ein Tier (Demo)
  • Die Zombies, Big Brother und Ich (Demo)
  • Der Schnee vom letzten Jahr (Demo)

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